Immer von Menschen

Entre nous, Werner Rohner!

Werner, wo hast Du Dein Buch geschrieben?
Begonnen hab‘ ich «Was möglich ist» in Rom, mit Blick über die Stadt und rüber zum Papst, der mir in seinem Pyjama meist noch zugewinkt hat, bevor er die Kerze ausgepustete und zu Bett ging. Also in der Nacht. Immer mit Musik. Und immer dann, wenn ich die Musik nicht mehr gehört hab‘ – und erst im Nachhinein erstaunt festgestellte, dass die CD und die Zeit, 5, 6 Songs übersprungen hat.
Später dann in Zürich, in Langenthal, wieder in Zürich, beendet hab‘ ich es in Schwaz, im Tirol, mit Blick übers Inntal, diesmal in einem ausgemusterten Teil eines Klosters, eingeklemmt zwischen den Bergen, bis ich die Kerze selbst ausgeblies.

Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Um die Liebe und in welcher Form wir damit leben können und wollen. Wie sich das unterscheidet, was das verhindert. Wie viel Mut es braucht, wenn die Beziehungsform nicht die «normale» ist. Und was die Zeit mit den Beziehungen macht.
Aber eigentlich geht es ganz einfach um Edith, Vera und Lena. Um einen Teil ihres Lebens. Das ich versucht hab‘ aufzuschreiben.
Und immer geht es auch um die Sprache, wie eine zweite Stimme zum Inhalt, die diesen kontrastiert oder unterstützt und die Handlung vor sich hertreibt.

Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Immer viel zu viele – drum ist mein Thema immer, wie schaff‘ ich es, eine Form zu finden, die viel zulässt, aber sich nicht in allem verliert.
Aber gerade jetzt, grundsätzlich, hmm: vielleicht grad die gestrandeten Wale, das Zählen der Toten in Zeiten von Corona; wie wir von dieser Deutungshoheit der Wirtschaftlichkeit wegkommen; wie man politisch handelt, wenn man nicht zu allem eine klare Haltung hat; wer für wen sprechen darf; was die Literatur dieser Tage sein kann; wie diese Tage dereinst in die Jahre gekommen sein werden; wie das Erbe nicht an Kleinfamilie, sondern Menschheitsfamilie verteilt bzw. erhalten werden kann. Wer wir sind, wenn wir helfen und wer, wenn nicht. Wie vielen man nahe sein kann, und wie Distanz nicht zu Gleichgültigkeit werden muss.

Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Für die Arbeit geh‘ ich nie erst von Themen aus, immer von Menschen, die von einer Sprache getragen und verkörpert werden, und diese Menschen bringen ihre Themen mit – die dann zufälligerweise schon verblüffende Ähnlichkeiten mit meiner Agenda haben. In diesem Sinne sind die Themen sehr verschieden, aber immer betreffen sie die Menschen.
Aber gerade frage ich mich, nicht zum ersten Mal, ob Themen nicht schon früher, oder gar zuerst eine Rolle spielen sollten – und was das für die Form des Schreibens bedeuten würde.
Aber irgendwie interessieren mich immer eher die «möglichen» Auswirkungen von Themen auf die Menschen, als die Themen abstrakt. Weil die Literatur genau das kann, sichtbar machen, wenn Themen sich manifestieren. Sie in die Zukunft spinnen und trotzdem schon jetzt erfahrbar machen. Oft mündet es dann in der Frage: Wie wollen wir leben?

Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Jetzt im Moment hängen diese Gefühle noch sehr stark von den ersten Stimmen zum Buch ab. Das will ich aber eigentlich nicht. Sagen kann ich eigentlich immer nur, dass ich es besser nicht konnte. Das reicht mit jeweils.
Aber doch, dass eben jetzt Edith, Vera und Lena auch in dieser Welt leben – und im Leben anderer Menschen einen Platz gefunden haben. Das taugt mir. Und die Vorstellung, dass gerade jetzt jemand vielleicht mit dem Buch im Bett liegt, diese Intimität, die auch.
Aber gut, das ist ja nicht die Niederschrift. Nur, die Niederschrift, die gibt es irgendwie nicht mehr. Es bleiben die sechs Jahre Leben, wo mich diese drei Frauen begleitet haben – und das war eine gute Zeit.

Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Eigentlich nicht. Aber gefallen hat mir, als letzthin jemand von der Utopie dieser eben nicht als «normal» angesehenen Beziehungen geschrieben hat, und mit welcher Selbstverständlichkeit sie beschrieben und damit da waren. Überhaupt, wenn das Politische, das nicht explizit ist, mitgedacht wird. Und eine Rezeption, die nicht auf Sprache eingeht, hat eigentlich nichts mit Literatur zu tun.
Also, und aber eben, eigentlich nicht.

Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Ich weiß nicht, ob zwei Bücher jetzt schon eine Reihe sind. Aber mir gefällt es, dass sie zusammen doch irgendwie schon ein Werk bilden. Aber eigentlich seh‘ ich auch dieses Buch immer als Schritt zu meinem nächsten Text – weil im Kopf sehe ich da ja schon tatsächlich eine Reihe vor mir. Und dass diese Texte untereinander in Beziehung stehen, und zusammen mehr ergeben als die Summe der einzelnen Bücher: Ein Werk halt.


Werner Rohner, «Was möglich ist», Roman,
Lenos Verlag, Basel 2020, geb., 379 Seiten.

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