In der Hierarchie
Entre nous, Yael Inokai!
Yael, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
In der Saarländischen Galerie in Berlin, wo ich während meines Aufsichtsdienstes vergeblich auf Besucher wartete. Zuhause am Schreibtisch. Auf dem Sofa. Im Bett. Und schließlich nur noch im Büro, das ich mit acht anderen Autorinnen bezog und das meinen Figuren endlich ein Haus bot.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
«Mahlstrom» ist die Geschichte sechs junger Menschen. Eine von ihnen, Barbara, begeht zu Beginn Suizid und stößt damit den Stein des Erzählens an. Es ist ein Buch über Kindheit, Gewalt, Körper und das Verzeihen.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ein System funktioniert nur, wenn die Beteiligten mitmachen - von ganz oben bis ganz unten in der Hierarchie. Man kann also in gewisser Hinsicht «schuldlos» sein, und trotzdem trägt man die Dinge mit. Mich interessiert vor allem die Grenze, bei der dieser, eigentlich grausame, Umstand vielleicht zu einer Befreiung führen kann.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Weder noch. Es ist Teil meiner Arbeit, das bestimmt. Aber wenn ich ein Leitmotiv benennen müsste, dann wäre es doch eher die Sprache an und für sich und ihre Verbindung zu unserem Körper. Es ist schon paradox: Es gibt kaum eine Kunstform, die weniger genau Gefühle widerspiegeln kann, als das geschriebene Wort. Manchmal steht Sprache sogar im direkten Kontrast zum Körper. In unserer kopflastigen Gesellschaft vernachlässigen wir ihn. Dabei hat auch er ein Gedächtnis. Dieses Verhältnis interessiert mich.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Es war eine bewegende Zeit. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben. Wenn ich heute das Buch in den Händen halte, ist es in gewisser Hinsicht auch Zeugnis davon. Ein berührendes, schönes Zeugnis.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Es ist ja nun schon vor ein paar Monaten erschienen. Ehrlich gesagt habe ich mit der Resonanz überhaupt nicht gerechnet. Mein Debüt war kaum besprochen worden. Insofern hatte ich auch keine Erwartungen. Aber erstaunt bin ich darüber, dass ich «Mahlstrom» als ein versöhnliches Buch empfinde – aber damit eine von sehr wenigen bin.
Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Es ist mein drittes, auch wenn es erst mein zweites veröffentlichtes ist. Bei dem zuvor habe ich mich gegen eine Veröffentlichung entschieden. Nicht alles, was man schreibt, ist für die Welt da draußen bestimmt. Aber ohne das zweite hätte ich das dritte nicht schreiben können. Somit vereint es sogar zwei Arbeiten in einer.
Yael Inokai, «Mahlstrom», Roman, Edition Blau
im Rotpunktverlag, Zürich 2018, geb., 180 Seiten.