Synthetik und Vorbild
Entre nous, Elke Heinemann!
Elke, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
In meiner ruhigen, hofseitig gelegenen Berliner Küche, während vor meinem straßenseitig gelegenen Arbeitszimmer der Kollwitzkiez von Prenzlauer Berg saniert wurde. Außerdem im Südwesten Frankreichs, auf einer griechischen Insel, im Alfred-Döblin-Haus nahe Elbe und Stör und im Südtiroler Kurort Meran – also in Gegenden, die weit entfernt liegen vom Ruhrgebiet, in dem mein neues Buch, «Fehlversuche» spielt. Vielleicht schreibt es sich am besten, wenn es nicht nur um weit entfernte Zeiten geht, sondern auch um weit entfernte Orte.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Welche Welt erfinden wir für uns in der Welt, in der wir uns befinden? In dem Buch geht es um ein Kind, das versucht, vermittels seiner Phantasie aus der Wirklichkeit eines schwierigen Elternhauses auszubrechen. Das kleine Mädchen Elisa ersinnt eine Zwillingsschwester namens Alise, taucht mit ihr ein in eine eigene Welt, in der es keine alkoholkranke Mutter und keinen co-abhängigen Vater gibt.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Mich interessiert, wie Menschen Wirklichkeit konstruieren. Welche Vorbilder wählen sie dafür? Welche Wünsche und Träume beeinflussen sie dabei? Und was ist bei alldem die sogenannte Wahrheit? Was ist authentisch und was synthetisch?
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Das Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion ist grundsätzlich ein zentrales literarisches Thema. Es findet sich immer wieder in meinen Texten. Und es findet sich in den Texten anderer Autor*innen, die mich interessieren.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Ich habe lange an diesem Text gearbeitet und den Eindruck gewonnen, er sei besser als alle früheren Texte. Vielleicht denkt man das immer, wenn man ein neues Buch schreibt. Aber tatsächlich gibt es ja so etwas wie eine Entwicklung.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Ich habe vor der Buchveröffentlichung für den WDR- und den NDR-Hörfunk aus dem Manuskript gelesen; daraufhin gab es mehrere Hörer*innenreaktionen, die mich sehr berührt haben. Ich hoffe, dass das Buch auch von der Kritik in meinem Sinn verstanden wird: Es ist ein Plädoyer für das Kind in uns allen. Ich glaube, dass aus der Freiheit des kindlichen Geistes besserere Welten erschaffen werden können. Wir alle sollten den kindlichen Geist in uns bewahren und pflegen. «Fehlversuche» ist daher explizit «Kein Kinderbuch».
Wie würdest Du es einordnen in die Reihe Deiner Bücher?
Es ist mein letztes Buch, damit momentan mein erstes Buch.
Elke Heinemann, «Fehlversuche», Kein Kinderbuch,
edition taberna kritika, Bern 2018, brosch., 118 Seiten.