Halt auf Verlangen
Entre nous, Romana Ganzoni!
Romana, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Im Engadin, in Celerina, Chesa Gianzun, 2. Stock, mit Blick auf den Fluss und den Piz Rosatsch. Hintergrundmusik: Das Piepen des Backofens bei Programmende.
In Ligurien, in Genua, Palazzo dei Giustiniani, 5. Stock, mit Blick an die Wand. Hintergrundmusik: fluchende Ehemänner in den Vicoli, die nach Mitternacht Türen eintreten.
In Zürich, in der Freiestrasse 208, 2. Stock, mit Blick auf die Stuckatur, mit Blick auf drei Glaskugeln auf dem Balkon – rot, gelb, blau - und mit Blick auf das Altersheim, das Perlapark heisst. Hintergrundmusik: Meeresrauschen aus der Forchstrasse.
In der Toscana, in Buriano, Casa Bandinelli, Parterre, im Garten, mit Blick auf den Feigenkaktus. Hintergrund: Vogelgezwitscher und das Rattern eines Nato-Hubschraubers.
Im Zug, Rhätische Bahn, am Fenster, 2. Klasse, in Bever, auf dem Viadukt, in Tiefencastel, in Reichenau, mit Blick auf Wälder und kleine Bahnhöfe, auf Menschen und auf einen ganz besonderen Hund, dessen Namen ich vergessen habe. Hintergrundmusik: Halt auf Verlangen. Fermeda sün dumanda. Stop on request.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Es geht in dem Erzählband «Granada Grischun» um Liebe und Gewalt. Um Freundschaft und Tod. Um Träume und Väter. Um Xristina, Michel und Herrn Baumann. Um Schnee und Erotik. Um Scham und um das Töten. Ums Fliegen und Tanzen. Ums Schreiben und Erzählen. Und um die Angst davor.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich grundsätzlich?
Mich interessieren unzählige Themen. Vor allem und immer interessieren mich andere Menschen und wie sie ihre Geschichten erzählen.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Alle Themen, die mich umtreiben, waren da, seit ich denken kann.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit zärtlichen Gefühlen.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption Deines Buchs?
Nein. Der Leser wird in einen Dialog mit dem Text treten, in den Dialog, der ihm gefällt und der zu ihm passt.
Wie würdest Du es einordnen in Deine Textproduktion?
Mit diesen Texten zwischen Karton, auf dem mein Name steht, trete ich aus dem Raum des Versagens vor mir selbst heraus, ich übertrete eine Grenze, die mir zugewiesen wurde und an die ich mich bisher gehalten habe, nun fliege ich über meine Angst hinweg. Sie ist ein grosser Kontinent. Ich schaue auf Stacheldraht und Minenfelder, auf all die Verträge, die ich einmal unterzeichnet habe, und fliege weiter, der Nase lang.
ROMANA GANZONI, «GRANADA GRISCHUN», ERZÄHLUNGEN,
Edition Blau im ROTPUNKTVERLAG, ZÜRICH 2017, GEB., 200 SEITEN.