D'après nature
Entre nous, Martin Bieri.
Martin, wo hast Du Dein neues Buch geschrieben?
Obwohl darin viele Orte vorkommen: in Bern. Ich schreibe aus der Erinnerung. Oder der Vorstellung.
Worum geht es, Deiner Meinung nach, in Deinem Buch?
Die Gedichte in »Unentdecktes Vorkommen« sind Berichte aus Gebieten, in denen sich Technik und Natur nicht mehr unterscheiden lassen. Sie handeln von einem Atomendlager in Finnland, künstlichen Wolken, einem renaturierten Fluss und verlorenen Raumsonden, die längst zu Himmelskörpern geworden sind. In einigen dieser Phänomene ist so viel Zeit enthalten, dass sie jedes Mass überschreiten, und doch sind sie von Menschen gemacht.
Welche Themen, Geschichten, Diskurse interessieren Dich zurzeit grundsätzlich?
Ich suche nach Möglichkeiten, das Verhältnis von Mensch und Natur in anderen Mustern zu fassen als in Gegensätzen. Doch auch die Vereinigungshoffnungen, die sich im ökologischen Denken äussern, überzeugen mich nicht. Vielleicht lässt sich die Verwicklung beider Seiten, die keine zwei Seiten derselben Medaille sind, mit neuen Begriffen beschreiben. Schon wenn wir statt »Technik«
»Arbeit« sagen, beginnt die angebliche Grenze, brüchig zu werden.
Sind diese Themen für Dich neu oder eher ein Leitmotiv in Deiner Arbeit?
Weder neu noch Leitmotiv. Was mich leitet, ist ein Interesse an Dingen, Orten, Geschichten, die sich mit meiner Sprache verbinden. Daraus entsteht im besten Fall dann etwas Neues.
Mit welchen Gefühlen schaust Du auf die Niederschrift zurück?
Mit der Erinnerung an ein sich immer wieder einstellendes Erstaunen darüber, wie ein Buch Volumen gewinnt, selbst wenn es aus so schlanken Texten besteht, wie es Gedichte eben sind.
Hegst Du bestimmte thematische Erwartungen an die Rezeption des Buchs?
Ich freue mich, wenn es gelesen wird. Bei Lesungen stelle ich fest, dass weniger über die Gedichte gesprochen wird, als darüber, wovon sie erzählen. Das ist mir recht. Mir gefällt es, wenn sich die Lyrik in den Dienst einer Sache stellt. Der Ästhetik ist sie ja ohnehin schon verpflichtet.
Wie würdest Du es einordnen in der Reihe Deiner Publikationen?
»Unentdecktes Vorkommen« ist eine thematische Fortsetzung meiner literarischen Archäologie, wie ich sie schon in »Europa, Tektonik des Kapitals« und »Henze Sulgenbach« versucht habe. Dieses Mal ist es wohl eine Art Archäologie der Zukunft.
Martin Bieri, »Unentdecktes Vorkommen«,
Gedichte, Allitera Verlag, München 2001, geb., 116 Seiten.