Barmherzigkeit und Aufbegehren

Alberto Nessi und sein Erzählband Miló

Fast schon ein halbes Jahrhundert ist es her, seit Alberto Nessis erster Gedichtband «I giorni feriali» («Werktags», 1969) erschienen ist; darauf folgten in fünf- bis zehnjähriger Kadenz Lyrik und Prosa. Die jüngste Publikation des vor kurzem mit dem Schweizer Grand Prix Literatur ausgezeichneten Tessiners ist eine äusserst geglückte Sammlung kurzer Erzählungen: «Miló» (2014), in der gleichrangigen Übersetzung von Maja Pflug nun auf Deutsch erschienen.
Die versammelten Texte erzählen von Aussenseitern, die Widerstand leisten. Ob nun Miló und seine Bande, Giustina oder Ultimo – allen Figuren Nessis ist, wie sein Kollege Fabio Pusterla jüngst an den 38. Solothurner Literaturtagen ausführte, die Caritas, die Barmherzigkeit, die bedingungslose Nächstenliebe des Autors gewiss.
Nessi überträgt diese höchste der Tugenden und – wie Dante in den letzten Gesängen des «Paradiso» vom Heiligen Johannes erfahren muss– wichtigste Voraussetzung für einen Poeten, ins Weltliche seiner Literatur. Mit dieser Aufmerksamkeit für die sogenannt einfachen Leute bewegt sich Nessi auf Augenhöhe mit seinem Vorgänger und Vorbild Cesare Pavese.

Franco Supino

Alberto Nessi, «Miló», Erzählungen, aus dem Italienischen von
Maja Pflug, Limmat Verlag, Zürich 2016, geb., 232 Seiten.

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